Warum weibliche Stärken in der Führung unverzichtbar sind

In Europa ist nur jede dritte Führungskraft eine Frau, gibt das statistische Bundesamt für das Jahr 2022 bekannt. In deutschen Führungsetagen entfalle der Anteil der weiblichen Vorgesetzten auf klägliche 28,1 Prozent, so die Behörde. Damit verschenken Unternehmen enormes Potenzial. Denn Frauen und Männer ergänzen sich ideal in ihren Führungsrollen. Ich plädiere dafür, mehr Frauen fit für Führung zu machen und Leadership gerecht unter den Geschlechtern zu verteilen. Denn Unternehmen der Zukunft kommen ohne weibliche Stärken nicht aus. Warum das so ist, beschreibe ich beispielhaft in diesem Blogbeitrag. Mein Bericht aus der Praxis, handfeste Tipps für Female Leaders inklusive.

 

Weibliche Führung fördert eine konstruktive Fehlerkultur

Frauen sind mehrheitlich offen, kritikfähig und gestehen eher Schwächen ein als ihre männlichen Kollegen. Das sind Stärken, die Unternehmen in unserer dynamischen und agilen Arbeitswelt unbedingt brauchen: für eine konstruktive Fehlerkultur zum Beispiel. Wer offen und kritikfähig ist, fördert die offene Kommunikation im Team. Das geschieht entweder bewusst oder unbewusst. Manche weibliche Vorgesetzte bitten direkt um Feedback. Andere Female Leaders kurbeln den aufrichtigen Austausch im Team wie von selbst an, weil sie mit gutem Beispiel vorangehen: Sie greifen auf, was ihre Kolleg*innen einwenden und ziehen sichtlich Konsequenzen aus Kritik, die bei ihnen ankommt. Oder sie legen nachvollziehbar dar, warum etwas nicht möglich ist.

Wie komme ich zu dieser Überzeugung? Im Alter von 27 Jahren übernahm ich als Abteilungsleiterin in der Automotive-Branche mein erstes Team. Zunächst waren die Teammitglieder zurückhaltend. Sie äußerten sich nicht, arbeiteten pflichtbewusst ihre To-dos ab und achteten sehr darauf, alles richtig zu machen. Natürlich passierten Fehler. Auch mir. Das war eine Riesenchance. Denn ich teilte meinem Team bereitwillig mit, was daneben ging. Ich wollte, dass wir alle daraus lernen und der Fauxpas sich nicht wiederholte. Ich lebte vor, dass es nicht schlimm ist, Fehler zu machen. Als schlimm empfand ich allerdings, nicht darüber zu sprechen oder daraus zu lernen. Und das kommunizierte ich in aller Klarheit.

Meine Botschaft war: Fehler gehören dazu. Wenn etwas schiefläuft, zieht es keine negativen Konsequenzen nach sich. Fehler sind eine Einladung, um zu wachsen und zu lernen.

Nach und nach waren die Mitarbeitenden bereit, sich selbst zu öffnen und ihre Ideen zu teilen. Die Selbstbewussten – und bald auch die eher Zurückhaltenden – trugen engagiert vor, wie sie Prozesse und Abläufe verbessern wollten. Manche kamen direkt auf mich zu und hatten sichtlich Freude daran, aktiv zu unserem Teamerfolg beizutragen. Das war ein spürbarer Fortschritt für mich und unseren gemeinsamen Erfolg. Meine Offenheit, Kritikfähigkeit und die Selbstverständlichkeit, Schwächen einzugestehen schufen die Basis dafür, die Prozessoptimierung richtig anzugehen. Unsere kollektiven Erfahrungen und unser aller Wissen halfen mir und uns dabei.

Mein Tipp für dich als Frau in Führung: Sprich deine eigenen Fehler offen an und thematisiere Versehen anderer als Perlen, um zu lernen. Aktiviere die Schwarmintelligenz bewusst: Löse Aufgaben gemeinsam mit dem Team, die du im Prinzip selbst lösen könntest. So profitiert Ihr alle, und natürlich der Arbeitgeber, von kreativen Einfällen und innovativen Lösungen, die nur gemeinsam gelingen – und in der Zukunft immer existenzieller werden.

Weibliche Führung legt verborgene Potenziale frei

Frauen bringen auffallend viel Empathie und Einfühlungsvermögen mit in den Job. Dass sich Chefinnen gut in andere hineinversetzen können, ist ein Plus in der Führung. Ja, es gibt auch Männer, die sehr einfühlsam sind und diese Stärken in bemerkenswerter Weise leben. Diese Männer sind mir nur leider sehr selten in meinem Berufsleben begegnet. Ich habe erlebt: Frauen nehmen sehr viel feiner wahr, welche Potenziale in Menschen stecken. Wie komme ich zu dieser These? Meine Sternstunden im Führungsalltag waren die Momente, in denen sich Menschen unter mir – besser: gemeinsam mit mir – fachlich und persönlich weiterentwickelten. Das ist meine Passion und einer der Gründe, warum ich heute als freiberufliche Businesstrainerin arbeite.

Als Frau in Führung sah ich Potenziale in meinen Mitmenschen, die meine männlichen Kollegen jedenfalls so nicht identifizierten. Als Vorgesetzte lichtete ich Potenziale, die für die Mitarbeitenden selbst blinde Flecken waren. So war es mir immer wieder gelungen, Sachbearbeiter und Fachkräfte zu Führungskräften zu entwickeln. Wie sah das genau aus? Zunächst förderte ich meine Teammitglieder, die schließlich weiterzogen, um Führungspositionen einzunehmen. Ja, natürlich hätte ich diese guten Kräfte gerne behalten. Doch als Abteilungsleiterin fühlte ich mich dem Unternehmen als Ganzes verpflichtet. Ich war glücklich und auch ein bisschen stolz, ‚meinen Leuten‘ irgendwann von Führungskraft zu Führungskraft zu begegnen. Fast immer war ich bestätigt und froh, diese Frauen oder Männer ermutigt zu haben, eine Führungskarriere einzuschlagen. Warum ‚fast‘ immer? Tatsächlich lag ich wenige Male daneben. Die Menschen, die ich als Führungstalente wahrgenommen hatte, scheiterten in ihrer neuen Rolle. Da ist es wieder, das Thema: Fehler eingestehen 😉.

In unserer schnelllebigen Zeit sind alle Menschen sehr beschäftigt. Die Zeit ist zu knapp, um Personal zu entwickeln. Gleichzeitig suchen alle ohne Ausnahme Mitarbeiter, doch Stellen bleiben unbesetzt. In meinen Kursen erlebe ich: Weibliche Führungskräfte legen ihren Fokus ganz natürlich darauf, Mitarbeiter zu entwickeln und Stellen intern gut zu besetzen.

Chefinnen verstehen Stärken und Schwächen ihrer Teammitglieder und kennen deren berufliche Ziele. Für sie ist es selbstverständlich, Beschäftigte fast nebenbei zu fördern und zu fordern.

Hinzu kommt: Wenn Führungskräfte Empathie zeigen, agieren sie als Vorbild. Dann sind Mitarbeiter inspiriert, empathisch mit anderen zusammenzuarbeiten und einfühlsam zu interagieren.

Mein Tipp für dich als Frau in Führung: Mach dir dein Einfühlungsvermögen bewusst und nutze es. Das heißt: Fühle dich in dein Gegenüber ein und sprich Sorgen und Bedenken deiner Mitarbeitenden aus. So bekundest du dein Mitgefühl und verschaffst deinen Teammitgliedern Erleichterung. Reflektiert dann gemeinsam: Was können wir lösen? Was müssen wir akzeptieren? Getreu dem Motto: Love it, change it or leave it.

Es ist so wichtig, Frauen als Leader zu fördern, damit Frauen und Männer gemeinsam und gleichberechtigt in Führung gehen. Davon profitieren Mitarbeitende, Vorgesetzte, Kolleg*innen und letztlich Kund*en und Lieferant*en. Die Vielfalt unterschiedlicher Perspektiven und Herangehensweisen, die Frauen und Männer im Schulterschluss miteinander kombinieren, führen zu kreativen und innovativen Lösungen, die wir dringender denn je brauchen.

Ich wünsche dir eine wertvolle Zeit.

Deine Melanie Brandes