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Agiles Projektmanagement mit Scrum
Den Ball gemeinsam ins Spiel bringen
Rahmenbedingungen und Kundenwünsche ändern sich in einem rasanten Tempo. Viele Produkte entsprechen am Ende des Entwicklungsprozesses nicht dem, was sich der Kunde vorgestellt hatte. Das klassische Projektmanagement versagt hier allzu oft. Kann agiles Projektmanagement Abhilfe schaffen? Tatsächlich hält es in immer mehr Bereichen und Branchen Einzug. Es zeigt sich: Die aus der IT-Entwicklung stammende agile Arbeitsweise kann – entsprechend angepasst – gute Ergebnisse liefern. Agiles Projektmanagement umfasst verschiedene Methoden, die Flexibilität und Anpassung ermöglichen, um frühzeitig und angemessen auf geänderte Bedingungen reagieren zu können. Eine dieser Methoden ist Scrum. Darum soll es heute gehen.
Eng zusammen in die gleiche Richtung
Der aus dem Rugby entliehene Begriff Scrum bezeichnet ein angeordnetes Gedränge: Bis zu acht Spieler pro Mannschaft drücken dicht an dicht in die gleiche Richtung, um gemeinsam den Ball zugunsten ihres Teams ins Spiel zu bringen. Damit liefert der aus England stammende Mannschaftssport mit dem elliptischen Ball das perfekte Bild für ein eng zusammenarbeitendes Team, das spontan reagierend in dieselbe Richtung arbeitet, um von Sprint zu Sprint die verabredeten Teilergebnisse zu liefern. Dies hatten zuerst zwei japanische Wissenschaftler beschrieben. Doch als „Erfinder“ gelten die beiden US-amerikanischen Softwareentwickler Ken Schwaber und Jeff Sutherland. Mit dem „Scrum Guide“ haben sie einen Leitfaden für die Methode und ihre Spielregeln erstellt. Sie beschreiben darin Scrum als ein Rahmenwerk, das verschiedene Prozesse und Techniken beinhaltet, um komplexe Produkte zu entwickeln und auszuliefern.
Ein selbstorganisiertes Team:
Der Trainer gibt die Richtung von außerhalb des Spielfeldes vor, und das Team setzt dies selbstständig auf dem Spielfeld um
Was genau steckt hinter Scrum?
Im Scrum gelten wenige einfache Regeln und Werte, die maßgeblich für den Erfolg sind. Wichtig ist, dass sich das Team selbst organisieren kann, interdisziplinär zusammengesetzt ist und unterschiedliche Kompetenzen abdeckt, um alle Aufgaben erledigen zu können.
Die Scrum Werte
Engagement: Alle übernehmen Verantwortung, um das bestmögliche Produkt zu erreichen.
Mut: Alle haben den Mut, das Richtige zu tun und an Problemen zu arbeiten, um Verbesserungen zu erreichen und Veränderungen herbeizuführen.
Fokus: Alle fokussieren sich auf die Arbeit im Sprint und die Ziele des Teams.
Offenheit: Alle, auch die Stakeholder, gehen offen mit ihrer Arbeit, den Herausforderungen und Fehlern um.
Respekt: Alle respektieren sich gegenseitig als fähig und eigenverantwortlich.
Die Scrum Werte
Das Scrum-Team besteht aus dem Product Owner (Produkteigner), dem Entwicklungsteam und dem Scrum Master. Sie sind für die Entwicklung und Lieferung des Produkts verantwortlich. Keine dieser drei Rollen ist eine Position im Sinne einer Linienorganisation. Vielmehr umfasst jede Rolle verschiedene Verantwortlichkeiten, die sich nicht überschneiden und für eine ausgewogene Kräfteverteilung innerhalb des Scrum-Teams sorgen:
Der Scrum Master ist für optimale Arbeitsbedingungen zuständig, beseitigt Hindernisse und fördert die gute Zusammenarbeit im Team. Außerdem sorgt er dafür, dass die Regeln und Werte eingehalten werden.
Der Product Owner vertritt die Stakeholder und ist hauptverantwortlich für den wirtschaftlichen Erfolg des Projekts. Entsprechend der Kundenwünsche und Anforderungen definiert er die Produkt-Anforderungen, pflegt sie ins Product Backlog ein und priorisiert die einzelnen Positionen (Backlog Items).
Das Entwicklungsteam ist hauptverantwortlich dafür die Produkt-Anforderungen in jeweils ein- bis vierwöchigen Entwicklungsphasen, sprich im Sprint, umzusetzen. Das Team arbeitet selbstorganisiert und entscheidet, mit welchen Techniken und Werkzeugen es seine Arbeit erledigt. Dies gelingt nur, wenn alle Fachbereiche, die zur Lösung beitragen, im Team vertreten sind und jeder einzelne freiwillig im Team mitarbeitet.
Wie läuft Scrum ab?
Ausgangspunkt ist die Produkt-Vision, eine erste grobe Idee des Produkts. Diese Produkt-Vision wird aus Sicht des Nutzers in einzelne Elemente, Merkmale und Funktionen des Produkts zerlegt. Diese Anforderungen werden im Product Backlog gesammelt. Das Product Backlog ist eine priorisierte Liste aller Anforderungen des Produkts ausgehend von der Produkt-Vision. Der Product Owner ist verantwortlich für die Pflege des Product Backlogs. Ein Eintrag im Product Backlog ist ein Backlog Item. Eine verbreitete Variante zur Beschreibung von Backlog Items sind User Stories. Eine User Story ist eine kurze, prägnante Aussage darüber, was ein Nutzer des Produkts benötigt.
Viele Teile ergeben ein Ganzes
Das agile Projektmanagement mit Scrum ist also ein Prozess der schrittweisen (iterativen) Annäherung und besteht aus mehreren ein- bis vierwöchige Entwicklungsphasen, den sogenannten Sprints. In jedem Sprint erarbeitet das Team ein benutzbares und funktionsfähiges Teilprodukt (Inkrement). Bildlich gesprochen wird das Produkt in einzelne funktionsfähige Würfel untergliedert. Jeder Würfel funktioniert bereits allein. Jeder weitere Würfel ist eine Ergänzung. Damit schafft das Projektteam während des Projektverlaufs permanent einen Wert. Voraussetzung dafür ist, dass sich das Produkt in einzelne funktionsfähige Würfel unterteilen lässt.
Geschützter Entwicklungsraum
Jeder Sprint beginnt mit dem Sprint Planning, in dem der Product Owner dem Team die Backlog Items in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit vorstellt und erläutert. Alleine das Entwicklungsteam entscheidet, ob es das vorgestellte Item im anstehenden Sprint entwickeln kann und wie viele Items im anstehenden Sprint umgesetzt werden können. Die vom Entwicklungsteam ausgewählten Backlog Items zum Umsetzen für den aktuellen Sprint werden im Sprint Backlog zusammengefasst. Die Auswahl ist fix und darf während des Sprints nicht geändert, erhöht oder reduziert werden. Damit ist der Sprint ein „geschützter Raum“, in dem das Team einmal Beschlossenes zu Ende entwickelt, ohne mit neuen oder geänderten Anforderungen konfrontiert zu werden. Im Gegenzug erhält der Product Owner mindestens alle vier Wochen eine Eingriffsmöglichkeit. So entsteht ein Gleichgewicht zwischen Stabilität und Flexibilität: Das Team erhält Sicherheit für eine bestimmte Zeit, gleichzeitig hat der Product Owner Steuerungsmöglichkeiten im Hinblick auf sich ändernde Anforderungen.
Die Sprint-Etappen
In Daily Scrum, einem 15-minütigen täglichen Treffen, berichtet jedes Teammitglied, was es seit dem letzten Daily Scrum gemacht hat, was es bis zum nächsten tun wird und ob es Störungen gibt, die die Arbeit behindern. Der Scrum-Master greift die Hindernisse auf und hilft sie zu überwinden. Gemeinsam haben alle das Sprint-Ziel im Blick und prüfen, ob es erreicht werden kann. In der Sprint Review stellt das Team dem Product Owner und den Stakeholdern die Ergebnisse und Teilprodukte vor. Damit erhält der Kunde regelmäßig Einsicht in das entwickelte Produkt und die Gelegenheit, dem Team ein Feedback zu geben. In der Sprint Retrospective reflektiert das Team am Ende eines jeden Sprints die Prozesse und die eigene Arbeitsweise. So lassen sich gemeinsam Verbesserungen und Optimierungen für den nächsten Sprint einleiten. Ziel ist es, den Prozess und die Produktivität kontinuierlich zu verbessern.
Ablauf und Rollen im Scrum
Was ist der Unterschied zu klassischem Projektmanagement?
Der bedeutsamste Unterschied zwischen Scrum und Wasserfall besteht darin, dass Scrum nach jedem Sprint ein Inkrement liefert, also ein komplett fertiges Teilprodukt, das bereits genutzt werden kann. Damit erhält der Kunde sehr früh ein voll funktionsfähiges Teilprodukt, mit dem er bereits arbeiten kann. Spätestens nach vier Wochen sind erste Ergebnisse zu sehen. Damit kann bei Bedarf schon sehr früh korrigiert oder angepasst werden. Im Gegensatz dazu wird bei der Wasserfall-Methode das gesamte Produkt am Ende der Projektlaufzeit ausgeliefert. Das kann, wie eingangs beschrieben, gehörig daneben gehen.
Unterschied zwischen Scrum und Wasserfall im Liefern der Leistung
Scrum oder Wasserfall?
Die Wasserfall-Methode hat dennoch ihre Berechtigung. Sie macht Sinn, wenn das Produkt gut definiert ist, etwa beim Hausbau. Die Anzahl der Fenster und Türen stehen fest und auch, wie viele Steckdosen an welchen Stellen installiert werden. Im Projektmanagement ist dann die Projektzeit der kritische Faktor. Die größte Herausforderung besteht darin, alle Gewerke in der richtigen Reihenfolge zum richtigen Zeitpunkt im Haus zu haben. Keine Frage, hier ist eine Ablaufplanung nach Phasen und Ressourcen erforderlich.
Im agilen Projektmanagement ist das Produkt nur grob formuliert, eine Idee liegt vor. So war es beispielsweise auch bei meiner neuen Website. Ich hatte zunächst eine ungefähre Vorstellung davon im Kopf. Die einzelnen Komponenten, also Startseite, Unterseiten zum Portfolio und zu meiner Person, die Seite mit den offenen Seminaren einschließlich Buchungsfunktion und mein Blog sind schrittweise entstanden. Die Startseite war Ziel und Ergebnis meines ersten Sprints und ohne alle anderen Seiten bereits einsatzfähig. Damit hat sie schon früh einen Nutzen gestiftet: Ich war im Netz auffindbar und konnte einen Überblick über mein Angebot geben. Die übrigen Seiten haben wir in weiteren Sprints entwickelt und nach und nach online gestellt.
Scrum kann eine echte Alternative im Projektmanagement sein. Ob die Methode für Ihre Projektsituation hilfreich ist, müssen Sie abwägen. In der nächsten Woche finden Sie dazu in meinem Blog einen Online-Test als Entscheidungshilfe.
Ich wünsche Ihnen eine wertvolle Zeit.
Ihre Melanie Brandes